Nachwuchstagung: Professionelle Kompetenzentwicklung angehender Lehrkräfte durch Theorie-Praxis-Verknüpfung

Lehrkräfteprofessionalisierung war am 12. und 13. September 2017 ein Thema, das knapp hundert Teilnehmer/-innen an den Campus Koblenz der Universität Koblenz-Landau geführt hat. Zwei Tage diskutierten die Tagungsteilnehmer/-innen in den Themensektionen, während der Kaffeepausen und bei der Posterausstellung, welche Ansätze bei der Erforschung der Theorie-Praxis-Verknüpfung sie verfolgen bzw. welche Herausforderungen sie dabei sehen.

Am 12. September 2017 startete die Nachwuchstagung des MoSAiK-Projektes unter dem Titel „Professionelle Kompetenzentwicklung angehender Lehrkräfte durch Theorie-Praxis-Verknüpfung“. Die Tagung richtete sich explizit an Nachwuchswissenschaftler/-innen, vor allem in den Projekten des Bund-Länder-Programms „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, die an vielen Universitäten bundesweit an der Thematik der Theorie-Praxis-Verknüpfung forschen.

Auftakt der MoSAiK - Nachwuchstagung

In seinem einführenden Vortrag gab Prof. Dr. Johannes König von der Universität Köln einen Überblick über den aktuellen Diskurs zum Thema Theorie-Praxis-Verhältnis in der Lehrerbildung und ging dabei vor allem auf schulpraktische Lerngelegenheiten als Ort der Theorie-Praxis-Verknüpfung ein. Nach einer Begriffsbestimmung zur professionellen Kompetenz von Lehrkräften skizzierte er gängige Kompetenzmodelle und diskutierte die Möglichkeiten, Lehrerkompetenzen zu messen. Anschließend ging er auf relevante Forschungsergebnisse ein, vor allem zum pädagogischen Wissen von Lehrkräften, und gab Einblicke in abgeschlossene und laufende Forschungsprojekte. Besonders die Forschungsergebnisse zu längeren Praxisphasen, wie das Praxissemester sowie zum Lernen mit Videos in der Lehrerbildung, gaben wichtige Impulse zum Tagungsthema und warfen weitere Fragen auf.

 

Einführender Vortrag von Prof. Dr. Johannes König von der Universität Köln

Im Anschluss an den Einführungsvortrag konnten in fünf parallel laufenden Themensektionen Forschungsvorhaben der Tagungsteilnehmer/-innen ausführlich diskutiert werden. Insbesondere die Themen „Entwicklung innovativer Formate in der Lehrerbildung" sowie „Reflexion" beherrschten den Diskurs am Dienstagnachmittag:

In der Sektion 1A beschäftigten sich drei Beiträge mit dem Umgang mit Sprachheterogenität. Sarah Zweers von der Universität Oldenburg stellte ihr Forschungsprojekt zum Thema „Integration durch/trotz Sprache. DaZ im Unterricht“ vor. Barbara Hoch von der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, diskutierte ihr Vorhaben zur sprachlich-kulturellen Heterogenität in der Unterrichtsinteraktion. Dorothea Dornheim von der Universität Bamberg stellte ein Seminarkonzept zur Veränderung von Wissen, Überzeugungen und Kompetenzen bei der Beobachtung, Gestaltung und Reflexion entwicklungsförderlicher sprachlicher Interaktion bei Lehramtsstudierenden vor.

Die Sektion 1B hatte die Praxisreflexion mittels Videographie zum Thema. Im Beitrag von Yvonne Leenen und Annette Marohn von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wurde die Professionalisierung von Lehramtsstudierenden im Fach Chemie hinsichtlich des Umgangs mit heterogenen Schülervorstellungen durch eigene und fremde Videovignetten im Lehr-Lern-Labor diskutiert. Josefine Zemla von der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, stellte den Einsatz von good practice-Videovignetten im Vergleich zum szenischen Spiel vor und diskutierte ihre Effekte auf das Klassenführungswissen. Kira Schlund von der Technischen Universität Dortmund stellte Reflexionsanlässe als grundlegendes Designprinzip zur Verzahnung von Theorie und Praxis hinsichtlich der Entwicklung von Planungshandeln bei Lehramtsstudierenden heraus.

Der Umgang mit heterogenen Ausgangslagen war das verbindende Thema der Beiträge in der Sektion 1C. Im Beitrag von Hannes Reinke, Prof. Dr. Karin Heinrichs und Simone Ziegler von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg wurden besondere Problemlagen von Schüler/-innen in beruflichen Schulen diskutiert und die Entwicklung von Fallvignetten als Variation des problembasierten Lernens in den Mittelpunkt gestellt. Jennifer Lung von der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, stellte ihr Forschungsvorhaben zur Berücksichtigung leistungsbedingter Heterogenität im Lehramtsstudium mit dem Fach Mathematik sowie das Konzept eines semesterbegleitenden Blended-Learning-Brückenkurses vor. Julian Miotk von der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, diskutierte in seinem Beitrag die Qualifikationsmöglichkeiten von angehenden Religionslehrer/-innen und stellte seine Studie zur Rekonstruktion von Lernstrukturen in Studienwerkstätten im Kontext von Heterogenität und religiöser Pluralität vor.

Impressionen von den vielen interessanten Vorträgen aus den jeweiligen Sektionen

Die Themensektion Reflexion teilte sich in zwei parallel laufende Sektionen auf. Die Sektion 3A umfasste Beiträge zu verschiedenen Reflexionsinstrumenten. Moritz Walz von der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, stellte die videogestützte Reflexion von Interventionen in laufende Schülerarbeitsprozesse in den Fokus. Serap Uzunbacak von der Universität Kassel thematisierte reflexive ePortfolioarbeit und hierbei insbesondere (meta-)kognitive Prompts als Möglichkeit zur Förderung der Unterrichtsplanungskompetenz von Lehramtsstudierenden. Die Entwicklung eines Reflexionsinstruments zur Theorie-Praxis-Integration im Rahmen eines Zertifikatsstudiengangs zu CLIL war Thema des Beitrags von Felicitas Fein von der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz.

Die Sektion 3B hatte die Entwicklung professioneller Kompetenz durch Reflexion zum Thema. Im Beitrag von Carola Hübler von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz standen „philosophische“ Schüleranfragen im Fachunterricht und die Reaktionen von Lehrkräften darauf im Fokus – die Entwicklung von professioneller Kompetenz wurde anhand von Fallbeispielen diskutiert. Katharina Manderfeld von der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, stellte ihr Vorhaben zur Reflexion anhand individueller Rückmeldung vor und diskutierte Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der eigenen professionellen Identität.

Der erste Tag der diskussionsintensiven und ertragreichen Tagung endete mit einer (verregneten, aber dafür umso kommunikativeren) Stadtführung in der Koblenzer Altstadt sowie mit einem gemeinsamen Abendessen in gemütlicher Runde, das vielfältige Gelegenheiten zu informellem Austausch und zur Vernetzung bot.

Am 13. September 2017 kamen mit dem 5. Internationalen Symposium „Schulen der Zukunft“, das in Kooperation mit der Nachwuchstagung stattfand, weitere neue Impulse und weitere Zielgruppen hinzu. So erweiterte sich der Kreis der Teilnehmer/-innen nun um Lehrkräfte an Schulen und Studienseminaren, die die Vernetzung zwischen Theorie und Praxis auch aus der schulpraktischen Sicht diskutierten. Der Vortrag von Prof. Dr. Michael Schratz von der Universität Innsbruck mit dem Titel „Lernseits von Unterricht: Alte Muster, neue Lebenswelten – was für Schulen?“ gab dem Plenum mehrere wichtige Denkanstöße und Impulse für eine neue, lernseitige Betrachtung von Lehr- und Lernprozessen. Aufgrund seiner langjährigen Begleitung und Reflexion von Lern- und Schulentwicklungsprozessen plädierte Herr Schratz für einen Musterwechsel: Lehren vom Lernen her denken. Zwischen einem lehr- und einem lernseitigen Zugang zu Lernprozessen soll eine produktive Spannung entstehen, was durch Dialog, Responsivität und Resonanz geschehen kann.

Prof. Dr. Michael Schratz von der Universität Innsbruck

Im Anschluss an den Plenarvortrag wurden in einem Posterslam kurze Einblicke in Forschungsarbeiten gegeben, die in Form von Postern ausgestellt waren. Hierbei wurden weitere interessante Forschungsvorhaben zur Professionalisierung von Lehrkräften, Entwicklung von professionellen Kompetenzen, konkreten Ausbildungs- und Evaluationskonzepten sowie -instrumenten vorgestellt.

Der Posterslam ist im vollem Gange

In den anschließenden Themensektionen wurden weitere Forschungsprojekte vorgestellt, die u.a. die Arbeit mit Videovignetten und die Kompetenzentwicklung in Lehr-/Lernlaboren thematisierten. Wie auch am ersten Tag wurden die Themensektionen von Professor/-innen beider Standorte der Universität Koblenz-Landau begleitet und moderiert, die in ihrer Rolle als „critical friends“ Rückmeldung zu dem Aufbau und Zuschnitt der Arbeiten sowie Tipps zum weiteren Vorgehen gaben.

In der Sektion 1A war die Entwicklung von innovativen Formaten in der Lehrerbildung hinsichtlich der Entwicklung vielfältiger professioneller Kompetenz das verbindende Thema der Beiträge. Linda Schürmann von der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, fokussierte dabei die Förderung der motivationalen Kompetenz von Lehramtsstudierenden und stellte ein Seminarkonzept sowie erste Ergebnisse einer durchgeführten Studie vor. Lena Peukert und Elena Leussidis von der Justus Liebig-Universität Gießen thematisierten die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams und skizzierten die Entwicklung eines universitären Aufbaumoduls dazu.

Die Sektion 1B zum Inklusiven Bildungssystem enthielt aufgrund eines Ausfalls nur einen Beitrag, der umso ausführlicher diskutiert wurde: Stefanie Hurth von der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, stellte das Konzept der inklusionsorientierten Forschungswerkstätten für Studierende unterschiedlicher Lehramtstypen vor, wobei bereits vorliegende erste Ergebnisse und ein Ausblick auf den weiteren Projektverlauf diskutiert wurden.

In der Sektion 2 zur Arbeit mit Videovignetten wurden Beiträge zur Schulung professioneller Wahrnehmung vorgestellt und diskutiert. Sebastian Kinsler von der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, stellte das Konzept einer Werkstatt für Diagnostik und Lernprozessbegleitung zum Zweck der Entwicklung eines multiperspektivischen Blicks auf pädagogische Situationen sowie sein darauf basierendes Forschungsprojekt vor. Oliver Grewe, Katharina Fricke und Kornelia Möller von der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster lenkten den Blick auf die professionelle Wahrnehmung von Sachunterrichtsstudierenden im Hinblick auf sprachsensible Lernunterstützung. Dies wurde anhand eines videobasierten Lehrmoduls im Masterstudium veranschaulicht.

Die Themensektion 4 hatte die Kompetenzentwicklung in Lehr-/Lern-Laboren zum Thema. Die Planungskompetenz von Sachunterrichtsstudierenden stand im Fokus des Beitrags von Annika Rochholz von der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster. Die Entwicklung dieser Kompetenz erfolgt in ihrem Projekt durch reflektierte Praxiserfahrungen im Lehr-Lern-Labor. In einem gemeinschaftlichen Beitrag von Raphael Weß von der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster und Heiner Klock von der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, wurde das Lehren von mathematischer Modellierung in Lehr-Lern-Laboren thematisiert und ein Konstrukt zur Messung professioneller Kompetenz vorgestellt.

Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteur/-innen der Lehrkräftebildung war Thema der Sektion 5, wobei verschiedene Formate zur Begegnung des Praxisschocks vorgestellt wurden. Einen Ansatz zur Verzahnung der Ausbildungsphasen präsentierten Dr. Jörg Neubauer und Prof. Dr. Karin Heinrichs von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg in ihrem Beitrag. Die Akteur/-innen der Universitätsschulinitiative bilden in diesem Projekt eine professionelle Lerngemeinschaft. Katharina Kronsforth von der Technischen Universität München thematisierte anschließend die Kooperation als einen wichtigen Faktor für die phasenübergreifende Theorie-Praxis-Verzahnung in der Lehrerbildung.

Die Posterausstellung

Zusätzlich zu den Themensektionen mit Forschungsbeiträgen richtete sich der Workshop von Dr. Hannah Rosenberg an Lehrkräfte und thematisierte die kollegiale Fallberatung im Kontext Schule. Dabei wurde ein Ansatz zur gezielten, systematischen Reflexion beruflichen Handelns vorgestellt, der auf der wechselseitigen Unterstützung von und Beratung durch Kolleg/-innen zur theoriegeleiteten Klärung von Fragen und zur Bewältigung komplexer Situationen aufbaut.

Im dritten Plenarvortrag, in dem sich Prof. Dr. Christian Reintjes von der PH der Fachhochschule Nordwestschweiz dem Thema „LehrerInnenbildung im hybriden Raum – Anforderungen an eine kooperative Professionalisierung“ widmete, wurde der Blick auf die Lehrerbildungssysteme der Nachbarländer und exemplarisch um das schweizerische einphasige Ausbildungssystem erweitert. Insbesondere das Konzept der Partnerschulen zum Zweck der schulpraktischen Professionalisierung von angehenden Lehrkräften und das Bilden von „hybriden Teams“ als „community of practice“ führt zu herausragenden Ergebnissen.

In einer Abschlussrunde endete die erfolgreiche Veranstaltung mit dem Ausblick auf weitere Schritte im MoSAiK-Projekt, weitere Möglichkeiten zum Austausch und bereits der Einladung zu der nächsten Tagung, die im Jahr 2018 erneut in Koblenz stattfinden wird.